Louis Köhler

Einführung

Louis Köhler
(Quelle: Fischer – Königsberger Hartungsche Dramaturgie)

Erwin Kroll hat 1935 in einer Fachzeitschrift über Louis Köhler geschrieben. Etwa fünfzig Jahre nach dessen Tod brachte er den Königsberger Klavierpädagogen, Kritiker und Musikschriftsteller in Erinnerung. Die eminente Bedeutung als Klavierlehrer war bis dahin zwar kaum verblasst, weil seine wichtigsten klavierpädagogischen Veröffentlichungen noch immer neue Auflagen erlebten; wohl aber war seine langjährige Tätigkeit als Musikkritiker von lokaler und deutschlandweiter Bedeutung und auch seine Vorkämpferrolle für die neudeutsche Schule, also vor allem für die Musik Richard Wagners und Franz Liszts, fast in Vergessenheit geraten. Krolls Aufsatz kann hier nicht vollständig wiedergegeben werden, weil urheberechtliche Erwägungen dem entgegenstehen, aber das Zitat des informativen einleitenden Absatzes ist erlaubt:

Louis Köhler (1820–1886) ist den meisten von uns noch als Herausgeber „instruktiver“ Klaviermusik bekannt. Hier ist er aber mehr gewesen als ein erfolgreicher Musikerzieher, nämlich ein wichtiger Bannerträger der neudeutschen Musik, eine umfassend gebildeter, sprachgewaltiger Kritiker. Wir pflegen das musikalische Leben vergangener Zeiten nach den jeweiligen Höhepunkten der Entwicklung, nach den großen schöpferischen Persönlichkeiten und ihren Werken zu beurteilen, ohne zu bedenken, das Gipfel ohne Träger nicht stehen können. Ein solcher Träger der Musik in seiner Zeit ist Louis Köhler gewesen. Er kam nicht von außen, nicht vom Literarischen her zu seinem Berufe, so sehr er das ausdeutende Wort beherrschte, sondern fühlte sich stets als Musiker. Der Lehrbetrieb, von Anfang an in ihm rege, lenkte sein musikalisches Schaffen zwar in die Richtung anspruchsloser klavieristischer Gebrauchsmusik; den Pulsschlag in der neuen musikalischen Entwicklung konnte er in ihm gleichwohl nicht unterdrücken. „Das Beste, was ich lernte war, dass sich einsah, wie die damalige Opernmacherei den Teufel nichts tauge und dass ich auf einen warten müsse, der mir’s zeige, wie man’s mache. Und da kam denn, wie auf Bestellung, Richard Wagner, dem man’s leider nicht nachmacht, auch wenn man’s ebenso macht.“ Der dieses bekannte, hatte zwar nach einigen bedeutsamen Versuchen das Feld der Oper verlassen, aber unter seinen über die Opuszahl 300 hinausreichenden musikalischen Schöpfungen findet sich auch sonst noch manches Zukunftsweisende. Immerhin musste der schaffende Musiker dem Musikerzieher weichen. Es wurde Köhlers Schicksal, die Neue Musik seiner Zeit eher dienend (nämlich betrachtend, urteilend, lehrend) zu empfangen.
[Zeitschrift für Musikwissenschaft, 17(1935), S. 232–235]

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Bei aller berechtigten Anerkennung erwähnt Kroll einen wichtigen Aspekt mit keinem Wort: die Verdienste, die Köhler sich im deutschsprachigen Raum außerhalb Ostpreußens erworben hat durch seine über Jahrzehnte andauernden Berichte über das Königsberger Musikleben. Köhler ist es zu verdanken, dass man Königsberg in deutschen Musikkreisen damals überhaupt wahrnahm. Seine durchaus nicht unkritischen Beiträge in Fachzeitschriften verdeutlichten, dass das weitverbreitete Vorurteil über "Preußich-Sibirien" keineswegs zutraf, dass in Königsberg vielmehr Musikleistungen geboten wurden, die sich vor manchen anderen in vergleichbaren deutschen Städten nicht zu verstecken brauchten.

Lediglich der Königsberger Künstlerverein sprach in einem Nachruf vom 21. und 28. Februar 1886 diesen Aspekt an (Hartungsche Zeitung):

[…] Insbesondere aber betrauert ihn die Stadt Königsberg, denn in ihr hat er nicht nur die Hauptthätigkeit seines Lebens entfaltet, sondern der nunmehr Dahingeschiedene ist einer von den wenigen, ich möchte fast sagen, der einzige, der durch sein rastloses Wirken und durch seinen weltbekannten Namen unserer Stadt unter den übrigen deutschen Städten in musikalischer Hinsicht eine ehrenvolle Stellung verschafft hat […] (Grünbaum 84 – Bibliografische Details unter Quellen).

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Eine kuriose, aber ungemein ärgerliche Nachlässigkeit ist der Redaktion des Standardwerks Die Musik in Geschichte und Gegenwart (I) unterlaufen. Erwin Krolls Beitrag über Louis Köhler läuft dort unter Kölner, und der Verlag hat nichts Besseres zu tun, als den falschen Namen bis zum Erbrechen zu wiederholen (24-mal). Wer unter Köhler sucht, findet Louis Köhler überhaupt nicht.

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Da dieses Portal sich der ostpreußischen Musik- und Theatergeschichte widmet, wird Köhlers überregionale Bedeutung eher nachrangig behandelt, aber gleichwohl angesprochen. Die Menüleiste listet die behandelten Kapitel auf.

Außerdem spielt Köhler an anderen Stellen dieses Portals eine Rolle:

  • Im Beitrag über den Sämannschen Singverein
  • In der Abhandlung über Arthur Woltersdorff, den Königsberger Theaterdirektor
  • Beim Vergleich der drei bemerkenswertesten Königsberger Musikkritiker bis zum Ende des Ersten Weltkriegs: Köhler, Doempke und Nodnagel [demnächst]