1930 – Gau-Sängerfest Angerburg

Schon bevor der Preußische Provinzial-Sängerbund sich 1906 in drei selbstständige Organisationen aufgeteilt hatte, bildeten sich jeweils Untergliederungen, die sog. Sänger-Gaue. Ziel war es, dass die kleineren Vereine in diesen überschaubareren Einheiten stärker zu ihrem Recht kamen und auch in den nun abgehaltenen Gau-Sängerfesten einerseits einen größeren Einfluss auf die Programmgestaltung erhielten, zum anderen sich mit ihren eigenen Auftritten besser öffentlich darstellen konnten.

Als nach dem Weltkrieg die beiden verbliebenen Bünde sich wieder vereinigten (s. 23. Ostpreußisches Provinzial-Sängerfest 1926), untergliederte sich der neue Preußische Provinzial-Sängerbund in 15 Gaue, zu dem noch der Sängerbund der Freien Stadt Danzig hinzukam. – Die Auflistung der Gaue und ihrer Vereine (genauer: derjenigen ihrer Vereine, die am Provinzial-Sängerfest 1926 teilnahmen) ist im Bericht über jenes Sängerfest zu finden.

Der Gesamtumfang der Gau-Sängerfeste lässt sich heute sowohl, was die Anzahl, als auch die Austragungsorte und die teilnehmenden Vereine betrifft, nicht mehr rekonstruieren. Es steht aber fest, dass die Zahl dieser Feste beträchtlich war. So steht im Festbuch für das Provinzial-Sängerfest 1926:

Die Gauverbände feiern fast alljährlich Gausängerfeste, auch im Geschäftsjahre 1925 haben in 12 Gauen Sängerfeste in verschiedensten Städten unserer Ostmark stattgefunden, die gesanglich recht Gutes zeigten, aber auch wahre Volksfeste für alle Teilnehmer, wie auch für die gesamte Bevölkerung waren.
[Festbuch S. 65, 67]

Einzelne bestimmte Sängerfeste lassen sich durch Zufallsfunde nachweisen. Für den Sängergau Masuren ist die Liste für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wohl vollständig. Die ersten beiden Gau-Sängerfeste fanden schon vor dem Weltkrieg in Lyck und Ortelsburg statt, ohne dass z. Zt. das Veranstaltungsjahr angegeben werden könnte. (Quelle: Emil Malessa: Hundert Jahre Liedertafel Angerburg. In: Angerburger Heimatbrief 37 (1960), S. 3–9):

  • 1924 Lötzen
  • 1927 Johannisburg
  • 1930 Angerburg
  • 1932 Lyck
  • 1934 Treuburg (bis 1828: Marggrabowa / Oletzko)
  • 1939 Sensburg

Die persönlichen Aufzeichnungen eines Sängers, der über viele Jahrzehnte das Chorwesen in Königsberg und in Stallupönen miterlebt und mitgestaltet hat, des Stallupöner Kaufmanns Carl Werwath, lassen die Entwicklung im Grenzgau-Sängerbund erkennen. Sie zeigen auch, wie familiär es zuging und dass man sich nahestand:

Auf meine Veranlassung wurde der Grenzgau Sängerbund von den Vereinen Eydtkuhnen, Gumbinnen, Pillkallen und Stallupönen gegründet. Es wurden verschiedene Gausängerfeste in Gumbinnen, Pillkallen, Eydtkuhnen wie in Stallupönen abgehalten, wobei der größte Erfolg in Stallupönen zu verzeichnen war, weil daselbst eine große Sängerhalle, in der Reitbahn der Kaserne hergerichtet, und daneben der herrliche Schützenpark einen angenehmen Aufenthalt bot. Das Fest wurde am 25. Juli 1898 abgehalten, und wurde an dem Tage mein Enkel Werner Werwath Sohn meines Carl (und seiner Ehefrau Anna geb. Kutz) geboren, dem die ganze Sängerschar ein kräftiges "Grüß Gott" brachten. Der Pillkaller Verein trat leider aus dem Bund wegen schlechter Bahnverbindung aus, dafür kam aber Insterburg, Gerdauen und Goldap hinzu, so daß der Verein [recte: Gau – HDM] etwa 700 Sänger hat.
[Der vollständige Text der Erinnerungen ist über einen Link zu erreichen.]

Emil Malessa, der 1930 als Dirigent der Liedertafel Angerburg Festdirigent des dort abgehaltenen Gau-Sängerfests war, hat 1954 im Angerburger Heimatbrief über dieses Ereignis berichtet. Der Aufsatz ist wertvoll, weil er aus erster, berufener Hand stammt, aber auch, weil das Sängerfest in Angerburg stellvertretend für die anderen ostpreußischen Gau-Sängerfeste stehen dürfte.

Die Wiedergabe des Textes, der über einen Link angesteuert werden kann, geschieht mit freundlicher Zustimmung des Vorsitzenden der Stadtgemeinschaft Angerburg, Herrn Kurt-Werner Sadowski, Bremen.