Therese und Gustav Simon - L'Adultera

L’Adultera: Das Urbild

Als am 14. März 1931 Gustav Simon 87-jährig in Königsberg starb, ging eine allseits geachtete Persönlichkeit dahin, die das Königsberger Wirtschafts- und Kulturleben über Jahrzehnte begleitet und teilweise mitbestimmt hatte. Man kannte den ungewöhnlich gutaussehenden Mann

  • als ehemaligen Militär, der sich im deutsch-französischen Krieg ausgezeichnet hatte und später den Titel Rittmeister führen durfte
  • als Kaufmann, der, aus einer jüdischen Königsberger Bankiersfamilie stammend, als Mitinhaber der Ostpreußischen Holz-Kommanditgesellschaft Albrecht und Lewandowsky über drei Jahrzehnte hier und in verschiedenen Aufsichtsräten schnell eine bedeutende Rolle im Wirtschaftsleben seiner Vaterstadt spielte
  • als langjährigen Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Königsberger Allgemeinen Zeitung GmbH seit deren Gründung 1895 und Ehrenvorsitzenden nach seinem Ausscheiden 1923
  • nicht zuletzt aber als vielseitig aktive Persönlichkeit im Königsberger Kulturleben.


Gustav Simon
Fotografie Gottheil & Sohn, Königsberg
Mit frdl. Zustimmung des Eigentümers Roberto Bona, Goslar

Bei seinem Tod waren diese Tätigkeiten und Verdienste schon Geschichte. In und nach dem Weltkrieg zog Simon sich aus Alters- und Gesundheitsgründen schrittweise aus der Öffentlichkeit zurück. In einem Nachruf, der hier in vollem Wortlaut wieder veröffentlicht wird, wies Martin Müller-Haeseler, Redaktionsmitglied der Königsberger Allgemeinen Zeitung, zutreffend darauf hin, dass die ältere Generation noch wisse, „was der Name Gustav Simon im Königsberg der Vorkriegszeit bedeutete.“

Schon Simons kulturelle Aktivitäten wären es wert, in diesem Portal näher dargestellt zu werden:

  • Vorstand des Vereins der Königsberger Sinfoniekonzerte
  • Aufsichtsrat der Königsberger Theatergesellschaft
  • Gründungsmitglied des Königsberger Musikvereins

Nicht zuletzt aber waren häufig berühmte Musiker Gast in seinem Hause, darunter mehrfach Joseph Joachim. Dann wurde oft spontan musiziert, wobei sich Simons Kinder auf verschiedenen Instrumenten, er selbst auf der Bratsche und seine Frau als Sängerin beteiligten.

Erwin Kroll erwähnt Gustav Simon in seiner Musikstadt Königsberg nicht, nimmt aber folgende Passage über seine Ehefrau Therese Simon auf:

Als Hans von Bülow im Januar 1890 Brahms‘ zweite Sinfonie in Königsberg aufgeführt hatte, schrieb er von Hamburg aus einen Brief an Frau Simon, geb. Kusserow, in welchem er sich für den wundervollen Vortrag „der herrlichen Brahmsschen Sinngedichte“ bedankte. Er übersandte dieser Dame eigene Lieder, aber nur zum „Anblättern“, da er nicht mehr komponiere, sondern sein Talent, „da ihm ein solches nach Herrn Dömpkes Versicherung nicht mehr abgesprochen werden könne“, nützlicher als Interpret verwerten könne. Eigentlich sei für Frau Simon „das Beste gerade gut genug, also Brahms“.

Hier ist zum ersten Male von Simons Frau Therese die Rede, die er 1875 oder 1876 geheiratet hatte, die ihm neun Kinder schenkte und die am 21. März 1912 starb. Sie ist die eigentliche Hauptfigur dieser Erzählung. In den Nachrufen wurde ihre Musikalität gerühmt und die Tatsache, dass sie als Gründungsmitglied im „Verein der Freundinnen junger Mädchen“ segensreich gewirkt habe. So ist sie wohl vielen Königsbergern noch für Jahre in Erinnerung geblieben.

Das sind wichtige Fakten; sie geben wieder, was über Therese und Gustav Simon öffentlich kommuniziert wurde. Das eigentlich Wesentliche, ja Unerhörte, was verdient, der Nachwelt in Erinnerung zu bleiben, hatte sich schon Jahrzehnte früher abgespielt, und es ist heute schwer zu entscheiden, wer in Königsberg nach der Jahrhundertwende informiert war und inwieweit eine stille Übereinkunft bestand, nichts zu sagen.

Über diese Vorgeschichte und ihre Folgen informiert ein kleiner Beitrag, der aus drei Teilen besteht.