Einführung
Die berufliche Korrespondenz Hugo Hartungs hat ein ungewöhnliches äußeres Schicksal erfahren. Dies ist im Menü Personen und Institutionen/Hugo Hartung nachzulesen. Wie ergiebig diese Dokumente heute sind, dass sie gar bisher völlig unbekannte Vorgänge aus dem Königsberg der dreißiger Jahre erschließen, verblüfft auch den, der an die Auswertung geht und von vornherein erwartet, auf Neuigkeiten zu stoßen.
Die Einbettung des Königsberger Musiklebens in den allgemeinen politischen Rahmen, den die „Machtübernahme“ 1933 geschaffen hatte, ist lange, wenn nicht totgeschwiegen worden, so doch weitgehend unerwähnt geblieben, sobald es um konkrete Vorgänge und um handelnde Personen ging. Die Musikwissenschaft hat nach dem 2. Weltkrieg verdrängt, geschönt und Selbstfreisprechung betrieben. Wissenschaftler, die zumindest zeitweise in Ostpreußen tätig waren (z. B. Hans Engel und Joseph-Maria Müller-Blattau), haben daran ihren Anteil.
Die Presse- und sonstigen Verlautbarungen der Vertriebenenverbände hatten andere Schwerpunkte (Trennungsschmerz; Kampf für eine Rückkehr in die Heimat unter günstigen politischen Voraussetzungen). Da hätte die Benennung greifbarer, wenn auch unbequemer Fakten aus dem „Dritten Reich“ eher von der Hauptsache abgelenkt, wenn sie denn überhaupt genehm gewesen wäre.
Wenn man von den frühen musikbezogenen Publikationen Joseph Wulfs (Musik im Dritten Reich) und Fred K. Priebergs (Musik im NS-Staat) absieht, kamen eigentlich erst ab 1990, nachdem die publizierende Generation, die eigenes Erleben für sich beanspruchen konnte, abgetreten war, andere Gesichtspunkte zur Veröffentlichung. Beispielhaft sei für Ostpreußen auf Christian Tilitzki verwiesen, der Dokumente der Königsberger Justizverwaltung veröffentlichte (Alltag in Ostpreußen 1940–45. Die geheimen Lageberichte der Königsberger Justiz. Leer 1991).
Auf dem Gebiet der Musikwissenschaft sind vor allem zwei Veröffentlichungen von Hans Huchzermeyer aus dem Jahr 2013 zu nennen (Nähere Angaben im Menü Auswahlbibliografie):
- Zur Geschichte der evangelischen Kirchenmusik in Königsberg/Preußen (1800–1945)
- Studien zur Musik- und Kulturgeschichte Berlins, Pommerns und Ostpreußens im 19. und frühen 20. Jahrhundert
Hugo Hartungs „Abwehrkampf“ beschreibt ein Kapitel Königsberger Musikgeschichte, bei dem berufliche Rivalitäten vor dem Hintergrund der politischen Verhältnisse ausgetragen wurden.
Diese Abhandlung hat folgende Gliederung:
- Die Ausgangslage
- Traugott Fedtke – Ein Zerwürfnis
- Sängerverein – Die erste Entlassung / Arierparagraf
- Orchesterverein Philharmonie – Die zweite Entlassung / Spaltung
- Bachfest 1936 – Beabsichtigter Ausschluss Hartungs / Solidarität seines Chores
- Versetzung / Kündigung – Die Hartungsche Musikschule
- Sieben Jahre später – Große Ehrungen der Musikalischen Akademie
- Der Preis