Einführung und Wilhelm-Theater
Vorbemerkung: Dieses Menü und seine Untermenüs stützen sich überwiegend auf folgende zeitgenössische Quellen:
- Gettkes Bühnen-Almanach
- Neuer Theater-Almanach
- Ernst Moser: Königsberger Theatergeschichte.
Soweit Textpassagen aus Moser zitiert werden (s. a. Auswahlbibliografie), wird i. a. die Fundstelle (Seitenzahl) angegeben.
Die Geschichte der Königsberger Sommertheater erstreckt sich über die Zeitspanne von etwa 1860 bis 1920 und erreicht um die Jahrhundertwende ihren Höhepunkt. Da die Spielzeiten der festen Theater im deutschsprachigen Raum von September bis April/Mai dauerten, entand eine Sommerpause, die zu verschiedenen Überlegungen Anlass gab: Einmal fassten die Theaterdirektionen in der Pause Tourneen ins Auge, meist in solche kleineren Städte, die während der Wintersaison kein eigenes Theater unterhalten konnten; zum andern verlangte das Publikum am Standort auch in den Sommermonaten nach Theaterangeboten.
Das Königsberger Stadttheater besuchte unter der Direktion von Arthur Woltersdorff ab 1846 ostpreußische Städte, in denen etwa einen Monat lang Station gemacht wurde. Diese Aktivitäten kamen im Sommer 1851 zu einem ersten Höhepunkt, als das Königsberger Theater in der zweiten Maihälfte in Braunsberg, im Juni vermutlich in Memel, im Juli in Insterburg, im August in Gumbinnen und im September wie auch im Oktober in Tilsit gastierte. Damit aber nicht genug: Gleichzeitig spielte ein Teil des Ensembles als Königsberger Opern-Gesellschaft in Berlin, zuerst vom 31. Mai bis zum 3. Juli mit zwanzig Aufführungen im Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater, danach vom 10. bis 27. Juli mit neun Vorstellungen in Berlin und Potsdam, davon drei am Königlichen Opernhaus, vier am Schauspielhaus und zwei am Königlichen Schauspiel Potsdam. Der Erfolg war so nachhaltig, dass 1853 noch einmal eine Einladung nach Berlin erfolgte. Zwischen dem 12. Juni und dem 13. August kam es zu 37 Aufführungen, die bis auf eine Ausnahme im Königlichen Opernhaus stattfanden. – Details sind in der Abhandlung über Arthur Woltersdorff zu finden.
Diese Erfahrungen trugen dazu bei, dass auch in Königsberg selbst Überlegungen für einen Spielbetrieb im Sommer angestellt wurden:
Während der Ferien [1861] ließ Woltersdorff auf dem Mitteltragheim, da wo heute die Königliche Regierung steht, ein Sommertheater erbauen, das er Wilhelm-Theater nannte und in dem er, gegen seine Absicht, schließlich auch im Winter Vorstellungen gab – freilich ohne auch nur annähernd das Kassengeschäft zu finden, das er erhoffte (Moser 96).
Der Bau des neuen Sommer- (Wilhelm-) Theaters auf dem Mitteltragheim wurde im Juni 1862 beendet. Das Innere des in Fachwerk aufgeführten Gebäudes enthielt den Bühnen-, Orchester-, untern Zuschauerraum mit Polstersitz-, Steh- und Logenplätzen, den obern Zuschauerraum mit 120 Strohstühlen, den besten Sitz-, Steh- und 13 Logenplätzen auf jeder Seite nach der Bühne hin. Das Innere faßte ungefähr eintausend Personen. Der Bühnenraum hatte eine Höhe von 80, eine Breite von 30 Fuß und war mit allen möglichen Versenkungs-, Beleuchtungs- und sonstigen zweckmäßigen Apparaten versehen. Die äußere Umgebung des Theaters machte einen malerischen Eindruck. Hohe, breite, mit hölzernen Fußböden versehene, Schutz gegen die Witterung gebende, zierlich erbaute Colonaden umliefen das Gebäude an seinen drei Hauptseiten; ebensolche Colonaden zogen sich neben den Zäunen des dem Direktor gehörenden Privatgartens hin, in der Nähe des zu Gartenkonzerten akustisch erbauten Orchesters. Eine schattenreiche Baumgruppe umgab einen länglich ovalen, neugegrabenen Teich.
Die Eröffnung des neuen Sommertheaters fand am 1. Juli 1862 mit einem Prolog von F. Tietz, dem Lustspiel "Bürgerlich und romantisch" von Bauernfeld und der Posse von Pohl "Sachsen in Preußen" statt, während vor und nach der Vorstellung im Garten Concerte gegeben wurden (Moser 99).
Wilhelm-Theater
Durch Woltersdorff gab es also eine enge Vebindung zwischen dem Stadttheater und dem Wilhelm-Theater, die sich auch darin äußerte, dass die gemeinsame Unternehmung unter dem Namen Vereinigte Theater in Königsberg auftrat. Im Sommertheater spielten auch Ensemblemitglieder des Stadttheaters und die Stadttheaterkapelle. Das Repertoire des Sommertheaters war etwas stärker auf Spielopern, Lustspiele und Vaudevilles ausgerichtet; große Opern wurden hier nicht gespielt. Ein Bericht über das Jahr 1864 sagt, dass im Wilhelm-Theater "fleißig das heitere Genre gepflegt und in den den Stücken vorhergehenden und nachfolgenden Garten-Concerten bisweilen Sinfonien und klassische Musik aufgeführt" wurde. Das Programmangebot ist wie dasjenige des Stadttheaters im Menü Theaterzettel/Akademie der Künste dokumentiert.
Das Wilhelm-Theater hielt sich bis zu Woltersdorffs Abgang 1876. In der letzten Spielzeit 1875 setzte es "seine Vorstellungen mit einer Reihe von Gastspielen des Herrn Anno vom Thalia-Theater zu Hamburg fort". Und für 1876 berichtet Moser (S. 135) lapidar über das Ende: "Das Wilhelmtheater war bereits im Laufe des letzten Quartals eingegangen und zum Abbruch verkauft."
Schon 1870 kündigten sich neue Sommertheater in Königsberg an. Im Schießhause spielte ab dem 8. Mai ein "Theaterensemble des Herrn Direktors Gehrmann auf einer eigens dafür hergerichteten Sommerbühne: ein Vorläufer des nachmaligen Schützenhaus-(Sommer-)Theaters" (Moser 120). Und am 14. Mai erhielt der Schauspieler und Regisseur Saalmeyer eine Konzession, die es ihm ermöglichte, "seine Vorstellungen im Sommertheater Villa Albrechtshöh (jetzt Luisenhöh)" anzubieten (Moser 121). Neben den beiden neuen Theatern behauptete das Wilhelm-Theater bis zum Schluss wegen seiner engen Verbindung zum Stadttheater erfolgreich einen höheren künstlerischen Anspruch.
Eine kurzlebige Episode blieb "Grunwald's Sommertheater", das von 1875–1877 in den Middelhufen Vaudevilles, Lustspiele und Possen aufführte, darunter 1876 und 1877 den "geschundenen Raubritter". Grunwald spielte in einem Gebäude, das um 1900 als Etablissement Ragutzki bekannt war (Moser 133, 141); es lag auf dem Gelände des Walter-Simon-Platzes und beherbergte später nach einem Umbau das Metropol-Theater.
Offensichtlich hat es nach Woltersdorffs Weggang noch den Versuch der Wiederbelebung des Wilhelm-Theaters gegeben: Im Sommer 1877 unterbreitete Theaterdirektor Münsterberg im Hufenpark im Neuen Wilhelm-Theater ein Angebot, allerdings "nur kurze Zeit" (Moser 141).
1869 gab es unter der Leitung von R. Neumann das Odeon (Böttchershöfchen); 1877 und 1878 ist das Gambrinus-Hallentheater unter der Leitung von Otto Bartel nachweisbar;1880 spielte für kurze Zeit das Belle-Alliance-Theater unter Emil Isenthal; 1883 gab es ein Flora-Theater.
In der Menüleiste links stehen die hier behandelten Theater. Die kompletten Spielpläne sind nicht bekannt, teilweise aber die aufgeführten Werke, ohne dass exakte Termine genannt werden können. - Diese Einschränkung gilt nicht für das Wilhelm-Theater; dessen Programme sind vielmehr ausgezeichnet dokumentiert, weil die Theaterzettel von der Eröffnung 1862 bis Ende 1873 - wenn auch nicht ganz vollständig - noch vorliegen. Sie sind hier zu erreichen.
Abkürzungen in den Untermenüs:
Für einige Spielzeiten lässt sich die Personalausstattung quantitativ belegen. Dies gestattet indirekt Rückschlüsse auf die Schwerpunkte und Entwicklung. Hierbei werden folgende Abkürzungen verwendet:
- Ens: Darstellende Mitglieder (männlich/weiblich)
- Orch: Orchester
- Ch: Chor
- B: Ballett
Von zwei weiteren Sommertheatern, dem Apollo-Theater und dem (alten) Luisen-Theater liegen die Spielpläne einer bzw. zweier Spielzeiten vor; sie sind deshalb in der Reihe der Königsberger Theater unter einem eigenen Menüeintrag zu finden.
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Als später Sonderfall eines ostpreußischen, allerdings nicht Königsberger Sommertheaters wird hier noch das Kurtheater Samland angeführt, das ab 1937 um die Jahresmitte die wichtigsten ostpreußischen Ostseebäder bespielte. Diese Zweigstelle des Landestheaters Südostpreußen stützte sich auf das Personal des Allensteiner Theaters.